Die Stadt Bergisch Gladbach plant die Einstellung der Wohnungsvermittlung

08.04.2021: Die neue Koalition aus GRÜNEN, SPD und FDP im Stadtrat Bergisch Gladbach hatte angekündigt „neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“. Dazu soll ein „wohnungspolitisches Handlungskonzept“ entwickelt werden. Eine der ersten Maßnahmen dieses Konzepts könnte der nun bekanntgewordene Plan sein, die soziale Wohnungsvermittlung und Wohnungsberatung der Stadt Bergisch Gladbach einzustellen und zu schließen, um die Personalkosten der Verwaltung zu senken. DIE LINKE. kritisiert diesen Plan als unsozial und fordert einen Ausbau der Vermittlung und Beratung und den Bau von 1.200 bezahlbaren Wohnungen durch die Stadt bis zum Jahr 2025.

Bei der jetzigen städtischen Wohnungsvermittlung können sich Haushalte, die es schwer haben, sich am Wohnungsmarkt eine angemessene Wohnung zu beschaffen und als wohnungssuchend vormerken lassen. In einem persönlichen Gespräch wird versucht, die Probleme zu besprechen und eventuelle Umzugshindernisse zu beseitigen. Die Wohnungsvermittlung stellt Kontakt zu potenziellen Vermietern bzw. Vermieterinnen her. Die Wohnungsvermittlung und Wohnungsberatung kann fast ausschließlich geförderte Wohnungen anbieten, für die ein Wohnberechtigungsschein erforderlich ist. Die Beratung hilft auch bei privaten Anbietern, die geförderten Wohnraum (Sozialwohnungen) vermieten. Das soll zukünftig wegfallen, so die Pläne bei der Stadt Bergisch Gladbach.

"Unsoziale Wohnungspolitik für Spekulanten und Wohlhabende?"

Tomás M. Santillán, Sprecher DIE LINKE. im Rheinisch-Bergischen Kreis „In der jetzigen Lage auf dem Wohnungsmarkt zu planen die städtische Wohnungsvermittlung klammheimlich aufzulösen, macht klar wohin die Reise von GRÜNEN, SPD und der FDP tatsächlich gehen soll. Man will Sparen und Kürzen und das auf Kosten der Menschen, die die Unterstützung der Stadt besonders benötigen. Wohnungssuchenden würden mit einer Einstellung der Wohnungsvermittlung und Beratung nicht nur im Stich gelassen, sondern sie werden quasi den Wohnungsspekulanten zum Frühstück vorgeworfen. Wenn die Wohnungsvermittlung wegfallen würde, würde für viele Menschen eine Anlaufstelle fehlen, bei der sie Informationen und Hilfe bekommen können.“

Die städtische Wohnungsvermittlung unterstützt Hilfesuchenden nicht nur bei der Suche, sondern auch mit Informationen und berät diese bei den damit verbundenen rechtlichen Problemen, bei Wohngeldanträgen, Umzugskostenbeihilfe etc. So sind diese den Wohnungsunternehmen nicht ganz hilflos ausgeliefert. Immer mehr Menschen müssen ihre Wohnungen verlassen, die unverschuldet arbeitslos werden. Nach Prognose des Rheinisch-Bergischen Kreises wird die Zahl der Menschen in Grundsicherung pandemiebedingt in den nächsten Jahren deutlichen ansteigen. Diese bedeutet für viele Menschen auch, dass sie ihre Wohnung verlassen müssen, da ihre alte nicht mehr finanzierbar ist. Die Wohnungsvermittlung und Beratung hilft vielen Menschen mit soliden Informationen und kann tatsächlich helfen, auch wenn sie selbst nur wenige freie Wohnungen in ihrer Liste anbieten.

Nach Auffassung von DIE LINKE. würde ein Ende der städtischen Wohnungsvermittlung den letzten Rest einer sozialen Wohnungspolitik in Bergisch Gladbach zerstören. Tomás M Santillán greift die Ampelkoalition deshalb scharf an: „Unsozialer geht es nicht mehr! Selbst wenn die Wohnungsvermittlung privatisiert würde, würde ein weiteres Stück Sozialpolitik in dieser Stadt verloren gehen. Hier soll auf Kosten der Schwächsten gespart und gekürzt werden. Gerade in der COVID19-Pandemie müsste man die Wohnungsvermittlung und Beratung weiter ausbauen, anstatt sie zu reduzieren, wie es jetzt im Rathaus geplant wird.“

Preisteiberei und Spekulation durch die Stadtentwicklungsgesellschaft SEB

Santillan führt weiter aus: „Es wird deutlich, was die Ampel unter „wohnungspolitisches Handlungskonzept“ versteht, welches eigentlich seit 10 Jahren längst überfällig war. Tatsächlich scheint es dabei aber nicht um bezahlbaren Wohnraum, sondern weiter um die gewinnträchtige Vermarktung der im neuen Flächennutzungsplan ausgewiesen Flächen zu gehen.

Wie man die örtlichen Immobilienpreise und in der Folge die Mieten in die Höhe treibt, hat uns die kommunale Stadtentwicklungsgesellschaft SEB in den letzten Jahren schon leidlich vorgeführt.

Mit der Abschaffung oder Umwidmung der Stelle beim Wohnungswesen der Stadt würde sich die Ampelkoalition auch einer lästigen Statistik entledigen, denn wenn niemand mehr bei der Stadt nachfragen kann, wird auch niemand mehr eine Beratung anfordern. So können GRÜNE, SPD und FDP das tatsächliche Wohnungsproblem verschleiern, denn es würden dann auch belastbare Zahlen fehlen. Problem entsorgt, während die Damen und Herren aus den Stadtratsfraktionen in ihren schönen Wohnungen im Warmen sitzen.“

Wohnungsbaugesellschaft als Miethai

DIE LINKE. kritisiert auch die Rolle der kommunalen Rheinisch-Bergische Siedlungsgesellschaft RBS auf dem lokalen Wohnungsmarkt. „Die Rheinisch-Bergische Siedlungsgesellschaft RBS ist ein kommunale Beteiligungsgesellschaft, die nur sehr begrenzt von dem demokratisch gewählten Stadtrat kontrolliert werden kann. Auch auf Nachfrage wird keine Auskunft erteilt, wie ich oft erleben musste. Die RBS agiert auf dem Wohnungsmarkt nicht sehr sozial, sondern verhält sich auch gegenüber vielen Mietern wie ein „geldgeiler Spekulant“. So wendet die RBS immer noch ein umstrittenes und fehlerhaftes Scoringverfahren an, um die Mieter vorher auszusortieren. Dieses trifft besonders diejenigen, die von Grundsicherung leben müssen, als diejenigen für die man vorgibt bezahlbare Wohnraum zu schaffen.“ so Santillán.

Reduzierung auf kommunale Pflichtaufgaben

In der Sitzung des Integrationsrats vom 8.4.2021 wurde nach Auskunft der Verwaltung deutlich, dass es der Wille des Bürgermeisters sei, dass ein Teil der Beratung und Vermittlung (Asylbewerberleistungsgesetz und Vermeidung von Obdachlosigkeit) in den Fachbereich 5 (Jugend Soziales) umgesetzt werden soll. Zur Zeit gehört die Wohnungsvermittlung und Beratung zum Wohnungswesen im Fachbereich 2 (Finanzen).

Die Wohnungsvermittlung und Beratung insgesamt umfasst aber noch mehr Gruppen und Aufgaben, denn es werden auch Menschen beraten, die nach SGB II oder SGB XII betroffen sind. Die Unterbringung von Asylbewerbern (Flüchtlingen) und oder von Menschen in Not in Notunterkünfte gehört zu einer Pflichtaufgabe der Kommunen, während die Beratung der anderen Gruppen wohl als freiwillige soziale Leistung eingestuft wird. In Köln und Leverkusen wurden die Beratungsangebote und Vermittlung fast vollständig abgeschafft und so ist das auch in Bergisch Gladbach geplant.

Nach Auffassung der LINKEN, würde eine Reduzierung der Beratung, wie sie jetzt geplant ist, auf die sehr wichtige Pflichtaufgabe Vermittlung in städtische Flüchtlings- und Notunterkünfte für Menschen in höchster Not hinauslaufen, um Obdachlosigkeit zu verhindern. Um mehr wird man sich dann nicht kümmern können. 

Diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die eigentlich eine reguläre und bezahlbare Wohnung oder geförderten Wohnraum (Sozialwohnung) suchen, um dort eine dauerhafte Bleibe zu finden, sollen zukünftig nicht mehr betreut werden, so der Plan. Dazu gehören auch berufstätige Menschen und Familien mit geringen Einkommen. Die werden dann nicht mehr beraten.

Wohnungsbestand bei der RBS ist nur sehr gering gestiegen!

In den letzten Jahren hat die RBS sehr teure Modernisierungen umgesetzt und dabei die Anzahl der RBS Wohnungen sogar zweitweise deutlich reduziert. Nach Auffassung DIE LINKE sind die Neubauprojekte, die viel zu spät gestartet wurden, um diese wegfallenden Wohnungen zu ersetzen, viel zu wenige und zu klein. Tatsächlich hat sich die Zahl der Wohnungen seit 2011 nur sehr wenig erhöht, während die Nachfrage deutlich stärker gestiegen ist. Der Wohnungsbestand der RBS war im Dezember 2011 bei 1845, während in 2021 ca. 1950 Wohnungen von der RBS vermietet werden können. (siehe Geschäftsberichte RBS ab 2011) Das ist ein peinlich mageres "plus" von nur 5,7% und ca. 105 Wohnungen in 10 Jahren. 
Bei den Immobilien in Bergisch Gladbach hat sich der durchschnittliche Kaufpreis für eine 60qm Wohnungen in 10 Jahren tatsächlich verdoppelt. In der Folge ist der durchschnittliche Mietspiegel für diese Wohnungsgröße um 37,74% gestiegen.  

1.200 neue bezahlbare Wohnungen bis zum Jahr 2025!

„Die Stadt Bergisch Gladbach, die RBS und die Politik haben seit Jahren nichts gegen die Wohnungsnot getan und völlig versagt. Die neue Ampel-Koalition verspricht in ihrem Koalitionsvertrag nun den Bau von 300 Wohnungen bis 2025 an. Das ist viel zu wenig. Wir gehen von einem jährlichen Bedarf von mindestens 200-300 zusätzlichen und bezahlbaren Wohnungen aus. Da es nur sehr wenige privaten Anbieter gibt günstige Wohnungen bauen wollen, fordern wir den Bau von mindestens 1.200 neuen kommunalen Wohnungen bis 2025, um die letzten Jahren aufzuholen und dem neuen Bedarf auch nur annährend gerecht zu werden. Der Vorschlag der Ampel ist nur ein Feigenblatt und ein Tropfen auf den heißen Stein. Trotzdem werden sich die Koalitionspartner bei jeder Gelegenheit gegenseitig auf die Schulter klopfen, auch wenn tausende Wohnungssuchende auch weiterhin keinen bezahlbaren Wohnraum finden können. Wenn man nun die städtische Wohnungsvermittlung und Beratung schließen will, stehen diese Menschen noch mehr im Regen.“, endet Tomás M. Santillán.