Leichlingen: Demokratie im Rückwärtsgang?
Verzögerungstaktik im Stadtrat untergräbt Rechtsstaatlichkeit
Deutschland ist stolz auf seinen demokratischen Rechtsstaat, in dem es jedem Bürger zusteht, Gerichte anzurufen, um zu ihrem Recht zu kommen. Doch in Leichlingen scheint die Demokratie auf der Strecke zu bleiben. Mit gezielten Verzögerungen und undemokratischen Manövern wird versucht, die Rechtsstaatlichkeit auszubremsen – zumindest vorübergehend.
Am 27. August 2024 reichte Ratsmitglied Klaus Reuschel-Schwitalla (Die Linke) eine Klage gegen die Stadt Leichlingen ein. Grund war die Missachtung seiner Rechte bei der Verabschiedung des städtischen Haushalts. Das Verwaltungsgericht Köln nahm die Klage an und forderte die Stadt wiederholt zur Stellungnahme auf, um den Fall öffentlich zu verhandeln. Doch bis heute herrscht Schweigen aus dem Rathaus.
„Es scheint, als wäre man sich im Rathaus bewusst, dass ein Fehler passiert ist“, erklärt Reuschel-Schwitalla. „Statt diesen Fehler einzugestehen, wird auf Zeit gespielt und geschwiegen, um die Sache auszusitzen.“
Ausschluss von demokratischer Beteiligung
Der Auslöser für die Klage: Der Bürgermeister hatte Reuschel-Schwitalla während der Haushaltsdebatte mehrfach in seinem Rederecht beschränkt und ihn daran gehindert, Änderungsanträge einzubringen. Die anderen Fraktionen (Grüne, CDU, SPD, FDP) hatten sich im Vorfeld in einer inoffiziellen Absprache darauf geeinigt, keine Haushaltsreden zu halten. Diese Vereinbarung wurde jedoch erst in der Sitzung bekannt gegeben – zu einem Zeitpunkt, als Die Linke bei der Vorbesprechung entschuldigt gefehlt hatte.
Dabei ist die Haushaltsdebatte die wichtigste Aufgabe des Stadtrats: Die Bürger*innen wählen ihre Vertreter, um solche Entscheidungen öffentlich und transparent zu verhandeln. Änderungen vorzuschlagen und Kompromisse zu finden, ist Kern unserer Demokratie. Doch in Leichlingen wurde genau dies durch die Mehrheit blockiert. Weder der Hauptausschuss noch andere informelle Gremien dürfen verfassungsmäßig garantierte Rechte der gewählten Ratsmitglieder außer Kraft setzen.
„Ein totales Redeverbot ist in unserem demokratischen Rechtsstaat unzulässig. Es ist vielmehr die Pflicht eines jeden Ratsmitglieds, sich zum Haushalt zu äußern. Dass dies
in Leichlingen verhindert wurde, ist ein schwerer Verstoß gegen demokratische Grundprinzipien“, betont Reuschel-Schwitalla.
Undemokratisches, politisches Kalkül oder bewusste Verzögerungstaktik?
Die wiederholte Verzögerung seitens des Verwaltungsvorstands wirft erhebliche Zweifel an der Integrität des Verfahrens auf. Tomás M. Santillán, Sprecher der Linken im Rheinisch-Bergischen Kreis, äußert den Verdacht, dass politisches Kalkül dahinter steckt: „Durch das bewusste Hinauszögern könnte das Verfahren bis Dezember verschleppt werden. Zu diesem Zeitpunkt müsste der Haushalt für 2025 ohnehin verabschiedet werden, wodurch der rechtswidrig zustande gekommene Haushalt 2024 faktisch obsolet würde. Wenn das Gericht jedoch vorher, wie es der Gesetzgeber vorgesehen hat, entscheidet, müsste der Stadtrat den Haushalt 2024 erneut und vor Dezember ordnungsgemäß verabschieden.“ Genau dieses rechtsstaatliche Verfahren wolle das Rathaus offensichtlich verhindern, so Santillán, um die demokratischen Rechte einzelner Ratsmitglieder bewusst zu umgehen.
Santillán sieht darin nicht nur eine Missachtung des Rechtsstaatsprinzips, sondern auch eine Gefährdung der Grundrechte parlamentarischer Vertreter*innen: „Das Rathaus ignoriert die gerichtlichen Aufforderungen und versucht, sich in die nächste Haushaltsperiode zu retten. Diese Taktik könnte sich jährlich wiederholen – auf Kosten der demokratischen Grundsätze.“
In einer Zeit, in der bundesweit für Demokratie und Vielfalt demonstriert wird, ist der Fall Leichlingen ein bedenkliches Signal. „Wenn sogar das Rederecht gewählter Volksvertreter*innen ausgetrickst wird, ist das ein schlechtes Beispiel für eine offene und demokratische Gesellschaft“, so Santillán weiter.
Klaus Reuschel-Schwitalla zeigt sich enttäuscht: „Ich habe die Politik des SPD-Bürgermeisters in der Vergangenheit unterstützt, doch solche undemokratischen Methoden kann ich nicht hinnehmen. Ich werde die Klage weiter verfolgen, um sicherzustellen, dass sich dies im Stadtrat nicht wiederholt.“ Auch zur nächsten Kommunalwahl wird Die Linke in Leichlingen erneut antreten und vielleicht auch eine demokratische Bürgermeisterin nominieren.