Für Sichtbarkeit und Respekt – gegen historisch belastete Begriffe
„Wertschätzung braucht die richtigen Worte: Die Linke Bergisch Gladach kritisiert Begriff und Vorschlag „Gastarbeiter*in“ zur Benennung von Straßen und Plätzen in der Stadt Bergisch Gladbach.
Der Integrationsrat Bergisch Gladbach hat beschlossen, dem Stadtrat vorzuschlagen, einen Platz auf dem Zanders-Gelände „Platz der Gastarbeiter*innen“ zu nennen. Die Linke internationale Liste – LIL im Integrationsrat Bergisch Gladbach begrüßt die grundsätzliche Idee, mit einem Platznamen die Geschichte und Verbundenheit von Menschen mit internationaler Herkunft sichtbar zu machen. Gleichzeitig spricht sich die Partei dafür aus, einen anderen Begriff zu wählen – denn „Gastarbeiter“ ist aus ihrer Sicht ausdrücklich nicht geeignet, um Wertschätzung und Zugehörigkeit zu vermitteln.
Die Linke begründet ihre Kritik damit, dass der Begriff „Gastarbeiter“ bis heute verwendet wird, um Menschen zu bezeichnen, die im Rahmen von Anwerbeabkommen nach Deutschland kamen. Doch dieser Begriff ist alles andere als harmlos: Er ist historisch belastet und ausgrenzend.
In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde er bewusst geprägt, um Migration als vorübergehendes Phänomen darzustellen – obwohl viele der damals angeworbenen Menschen dauerhaft in Deutschland blieben. Diese Realität und Hintergrund wird durch den Begriff bis heute verschleiert.
Zudem reduziert er Menschen auf ihre ökonomische Funktion als Arbeitskräfte und erkennt sie nicht als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft an. Viele Betroffene berichten, sich durch diese Bezeichnung rassistisch abgewertet, ausgegrenzt und nicht zugehörig gefühlt zu haben – ein Gefühl, das auch in der zweiten und dritten Generation weiterlebt.
Der Begriff ist auch sprachlich widersprüchlich: Ein Gast wird eingeladen, willkommen geheißen und respektvoll behandelt. Wer jedoch als „Gastarbeiter“ kam, wurde oft lediglich als billige Arbeitskraft wahrgenommen – ohne echte Einladung, ohne Anerkennung, ohne Perspektive auf Teilhabe.
Diese Sprache zeigt deutlich: Der Begriff „Gastarbeiter“ war nie neutral. Er diente dazu, gesellschaftliche Ausgrenzung und strukturelle Ausbeutung zu überdecken. Es ist höchste Zeit, diese tatsächlichen Fakten klar zu benennen – und den Begriff kritisch zu hinterfragen.
Aylin Aydogan, Bürgermeisterkandidatin 2025 für Die Linke, zeigt sich überrascht darüber, dass ausgerechnet der Integrationsrat Bergisch Gladbach diesen Begriff gewählt hat, um Respekt ausdrücken zu wollen. „Menschen mit vergleichbarem Hintergrund wie mein Großvater, der in
Deutschland lebte, wurden vielfach mit dieser Bezeichnung konfrontiert. Derartige Zuschreibungen werden häufig als Ausdruck einer stigmatisierenden Gruppenzuweisung verstanden. Das verletzt Menschen. Die Idee, einen Platz zu benennen, ist sicher gut gemeint und zeigt den Wunsch, Wertschätzung auszudrücken. Doch die Wahl des Begriffs wirkt aus meiner Sicht unüberlegt und trifft nicht den richtigen Ton. Es wäre wünschenswert, wenn der Stadtrat das Anliegen aufgreift – aber mit einer Formulierung, die niemanden verletzt oder ausschließt. Ein Name, der die gemeinsame Geschichte würdigt und von allen mitgetragen werden kann, würde der Idee besser gerecht werden. Bei der Benennung von Straßen und Plätzen sollte das Ziel immer sein, möglichst breite und einvernehmliche Zustimmung und gegenseitigen Respekt zu fördern.“
Hale Santillan-Bagherzadeh, das einzige Mitglied des Integrationsrats ohne deutsche oder EU-Staatsangehörigkeit, hatte für Die Linke erfolglos den Vorschlag eingebracht, den Platz stattdessen „Platz der internationalen Arbeiter:innen“ oder „Platz der internationalen Arbeiter:innensolidarität“ zu nennen, um eine mögliche rassistische Implikation ausdrücklich zu vermeiden.
Sie betont: „Mein Vorschlag hätte sichtbar gemacht, worum es wirklich geht: um die Anerkennung geleisteter Arbeit, die Würdigung von Migrationsgeschichten und den Kampf für gerechte Arbeitsbedingungen. Solche Bezeichnungen betonen das Miteinander statt die Ausgrenzung – und bieten einen anderen Blick auf ein negatives Kapitel deutscher Geschichte. Das ist längst überfällig.“