Exklusive Digitalisierung oder inklusive Teilhabe?
Peter Tschorny kritisiert in seinem scharf Kommentar die Entscheidung des Stadtrats Bergisch Gladbach, Parkgebühren künftig nur noch digital abrechnen zu lassen – ein Vorgehen, das insbesondere ältere Menschen ausschließt. Studien zeigen, dass ein großer Teil der über 70-Jährigen digitale Angebote nicht oder nur eingeschränkt nutzen kann. Der Verweis auf Kosten-Nutzen-Verhältnisse blendet laut Tschorny die Bedeutung von Inklusion und gleichberechtigtem Zugang aus. Er fordert daher ein gesetzlich verankertes Recht auf analoge Alternativen für alle öffentlichen Leistungen, um soziale Teilhabe für alle zu gewährleisten.
Digitale Parkgebühren in Bergisch Gladbach: Inklusion in Gefahr
Kommentar: Sind die Kommunalpolitiker des Stadtrates von Berg. Gladbach jetzt von allen guten Geistern des Inklusionsgedankens verlassen?
Können die sich vorstellen, was ein ca. 80-jähriger Autofahrer empfindet, der endlich einen möglichst nahegelegenen Parkplatz gefunden hat und nun erfährt, dass er nur noch mit dem Smartphone bezahlen kann? Und das kann er auch nur wenn er vorher eine spezielle App darauf installiert hat. Und dann muss er diese App auch noch bedienen.
"Martin Derda vom Seniorenbeirat warnte in der letzten Sitzung im März davor, ältere Menschen auszugrenzen. Er berief sich auf Studien, die belegten, dass 30 Prozent der über 70-Jährigen nur eingeschränkt mit dem Smartphone umgehen könnten. Für Bergisch Gladbach würde dies 24 Prozent der Bevölkerung betreffen." (KSTA, 22.05.25)
"... die vom Bundesseniorenministerium geförderte Studie «Hohes Alter in Deutschland» (D80+) kam 2022 zu dem Ergebnis, dass lediglich 37 Prozent der Personen ab 80 Jahren das Internet nutzen." (https://www.rosalux.de/news/id/53184/digitale-teilhabe-und-das-recht-auf-analogen-zugang) 63 Prozent nutzen es also nicht.
Sollen diese älteren Menschen von der Teilhabe an städtischen Parkplätzen ausgeschlossen werden?
Wollt ihr die darauf verweisen, dass sie ja mit ihrem Rollator (der beansprucht ja keinen Parkplatz) zu einer Ausgabestelle für Pickerl (Papier-Tickets) gehen können, wo sie in bar zahlen können?
Was ist mit den Bürgerinnen und Bürgern, die mit dem Auto aus anderen Kommunen des Rheinisch-Bergischen Kreises oder dem Umland nach Berg. Gladbach kommen und von dieser neuen Regel überrascht werden? Sollen die mit dieser Parklösung abgeschreckt werden?
In was für einer Welt leben solche Politiker eigentlich, die uns schönreden, durch Digitalisierung würde alles einfacher? Einfacher für wen? Für die Verwaltung, oder für alle Bürger?
Fragen über Fragen, die sich unsere Kommunalpolitiker scheinbar nicht stellen.
In die Welt von den Menschen, die besonders auf die Errungenschaften der Inklusion angewiesen sind, können sie sich offensichtlich nicht hineinversetzen!
"Die Verwaltung straffen und Kosten sparen", will unser erster Beigeordneter, Herr Migenda; er verweist auf ein "vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis". (KSTA, 22.05.25)
Aha, die inklusiven Rechte unserer Seniorinnen und Senioren, deren Nutzen gering geschätzt wird, werden also gegen die Kosten aufgerechnet. Nach dieser Abwägung dürfen sie dem Digitalisierungs-Wahn zum Opfer fallen.
Gilt das was Herr Bollen von den Grünen sagt: „Sie sind teuer und verbrauchen viel Platz“, also nicht nur für die Parkautomaten, sondern auch für unsere Seniorinnen und Senioren?
Ich verlange ja hier nicht die Rückkehr des guten alten Faxgeräts (obwohl ich den leicht nachweisbaren termingerechten und rechtssicheren Zugang von Anträgen und Rechtsmitteln als rechtlicher Betreuer immer zu schätzen wusste)
Ich fordere nur was selbstverständlich sein muss: Inklusion!
Wenn der Stadtrat nicht gewillt ist, seine Beiräte ernst zu nehmen, und dem Beschlussvorschlag des Infrastruktur-Ausschusses gegen die Warnung des Senioren-Beirats folgt, dann ist das nicht mehr meine Stadt.
Wir brauchen keine totale Verdigitalisierung, sondern barrierefreien Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe auf allen möglichen Wegen. Das gilt übrigens für alle Leistungen von öffentlichen Verwaltungen. Digitalisierung ist nicht schlecht. Aber die bisherigen Zugangswege, an welche die Bürger, insbesondere ältere und benachteiligte, gewöhnt sind, müssen offen bleiben. Andernfalls verfehlen wir Bürgerfreundlichkeit und Inklusion.
Ich fordere parallel zur auszubauenden Digitalisierung ein Recht auf inklusive barrierefreie analoge Teilhabe für alle Bürgerinnen und Bürger an allen öffentlichen Dienstleistungen - insbesondere natürlich auch für alle sozialen Leistungen.
Peter Tschorny ist Kreistagsmitglied für Die Linke aus dem Ortsverbands Die Linke Bergisch Gladbach.