Paul von Hindenburg entspricht nicht den demokratischen Gemeinsamkeiten - Ehrenbürgerschaft entziehen, Platz umbenennen!

Tomás Santillán
Presseerklärung

Bergisch Gladbach. DIE LINKE fordert in einem Ratsantrag die Umbennenung des Hindenburg-Platzes in Bensberg und die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft für Paul von Beneckendorff und von Hindenburg.

Ehrungen von Personen durch eine Stadt und seine Bürgerinnen und Bürger in Form einer Übertragung einer Ehrenbürgerschaft oder einer Benennung von öffentlichen Plätzen bringen die Wertschätzung für die Lebensleistung oder für besondere Verdienste der geehrten Menschen als vorbildlich auch für die Nachwelt zum Ausdruck. Bei Paul von Beneckendorff und von Hindenburg ist das fraglich.

Solche Ehrungen für Persönlichkeiten stehen im Spannungsfeld als Teil der Erinnerungsgeschichte der Stadt oder der Region und der kritischen historischen Distanz der Folgegenerationen, was zu Neubewertungen der geehrten Person führen kann. Eine solche Neubewertung erscheint dann sinnvoll, wenn eine übergeordnete positive Identifikation der gesamten Gesellschaft mit einer Person oder einem Ereignis nicht mehr gegeben ist oder eine grundsätzlich veränderte Bewertung der betreffenden Person vorzunehmen ist.

Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg (2.10.1847 bis 2.8.1934) war Namensgeber zahlreicher Straßen, Brücken, Plätze und Schulen. 1917 wurde Hindenburg in Bergisch Gladbach zum Ehrenbürger ernannt, Auch der Platz zwischen Deutschen Platz und Kölner Straße in Bensberg wurde nach ihm benannt. Die politische und historische Bewertung Hindenburgs änderte sich im Lauf der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg grundlegend. Diese Debatte löste diverse politische Aktionen aus und bundesweit benannten immer mehr Städte und Gemeinden öffentliche Flächen, die Hindenburgs Namen trugen, um (zuletzt Münster und Voerde am Niederrhein) oder erkannten ihm die Ehrenbürgerschaft ab (z.B. Stuttgart 2010). Diesem Beispiel sollte nun endlich auch Bergisch Gladbach folgen. Hindenburgs Wirken ist heute weder als vorbildlich zu bezeichnen noch als »demokratisch republikanisch«.

Biografische Informationen über Paul von Hindenburg: Der Feldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg war in der Weimarer Republik für viele ein Kriegsheld, dessen Mythos eng mit der Schlacht von Tannenberg verbunden ist. Er war immer überzeugter Monarchist und als solcher Gegner demokratischer Bewegungen und insbesondere der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie. Hindenburg, mit Ludendorff einer der hartnäckigsten Gegner eines Verhandlungsfriedens zur Beendigung des Ersten Weltkrieges, war Mit-Urheber der sogenannten Dolchstoßlegende. Vor dem Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung entlastete er am 18. November 1919 Heeresleitung und Soldaten von der Verantwortung für die Niederlage. Hätten nicht Parteiinteressen die nationale Einheit untergraben und die geschlossene und einheitliche Zusammenwirkung von Heer und Heimat verhindert, hätte der ungleiche Kampf dennoch zu einem positiven Ende geführt, so Hindenburg. Dies war die Geburtsstunde der Dolchstoßlegende. Die Behauptung, das im »Felde unbesiegte« Heer habe durch die oppositionellen »vaterlandslosen« Zivilisten in der Heimat einen »Dolchstoß von hinten« erhalten, wurde in den Folgejahren von deutschnationalen, völkischen und rechtsextremen Gruppierungen als Propaganda gegen die Novemberrevolution, den Versailler Vertrag, die linken Parteien sowie die Weimarer Republik und Verfassung benutzt. Hindenburg hat so sehr früh der noch jungen Weimarer Demokratie einen schweren Schaden zugefügt. Nach dem überraschenden Tod von Friedrich Ebert kandidierte Hindenburg 1925 im zweiten Wahlgang für das Amt des Reichspräsidenten, nachdem im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten eine Mehrheit erzielen konnte. Die Weimarer Verfassung stattete dieses Amt mit weitreichenden Befugnissen aus (Recht auf Parlamentsauflösung, alleiniges Ernennungsrecht des Reichskanzlers). Ohne wirklich einen Wahlkampf zu führen, wurde Hindenburg am 26. April 1925 mit großer Mehrheit zum Reichspräsidenten gewählt. Mit ihm stand damit ein Mann an der Spitze des Staates, der zumindest ein ambivalentes Verhältnis zu den demokratischen Institutionen hatte und innerlich nie auf dem Boden des demokratischen Verfassungsstaates stand (vgl. Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München, Siedler Verlag, 2007). In der Krise ab 1930 wurde offensichtlich, welche Hypothek sich die Weimarer Republik mit der Wahl Hindenburgs aufgeladen hatte. Nach dem Bruch der Großen Koalition um den Sozialdemokratischen Kanzler Hermann Müller, ließ Hindenburg nicht mehr zu, dass sich die SPD, bis 1932 stärkste Fraktion im Reichstag, an der Regierungsbildung beteiligte. Mit der Etablierung der Präsidialregierungen wurden die Befugnisse des Parlaments zunehmend ausgehebelt. Nach dem Sturz des Reichskanzlers Heinrich Brüning am 30. Mai 1932 begann eine autoritäre, offen antiparlamentarische Phase des Präsidialsystems (vgl. H.A. Winkler). War Hindenburg bei seiner Wiederwahl 1932 noch Gegenspieler von Hitler um das Amt des Reichspräsidenten, so war er es schließlich, der am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler ernannte. Der Historiker Heinrich August Winkler kommt zu dem Schluss: »Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war nicht der unausweichliche Ausgang der deutschen Staatskrise, die mit dem Bruch der Großen Koalition am 27. März 1930 begonnen und sich seit der Entlassung Brünings am 30. Mai 1932 dramatisch zugespitzt hatte. … Nichts zwang den Reichspräsidenten dazu, Hitler zum Reichskanzler zu machen. … Hitlers Massenbewegung machte seine Ernennung möglich, aber erst durch den Willen Hindenburgs und des Milieus, das er verkörperte, wurde er Kanzler.« Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler erloschen umgehend alle politischen Eigeninitiativen Hindenburgs. Schon am 4. Februar 1933 unterzeichnete Hindenburg eine »Verordnung zum Schutze des deutschen Volkes« die den Machthabern das Verbot von Zeitungen und Versammlungen nahezu jederzeit ermöglichte. Dem nationalsozialistischen Terror in den Monaten nach dem 30. Januar 1933 waren zunächst vor allem Angehörige der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ausgesetzt. Zeitungsverbote, Besetzung von Parteihäusern, Repressalien sowie Verfolgung und Ermordung von Funktionären durch die Nationalsozialisten schürten aber auch in den anderen Parteien zunehmend eine Stimmung nackter Angst. Sofort nach Hitlers Machtantritt begannen die NSDAP und ihre Unterorganisationen SA, SS, NSDStB und Hitlerjugend mit teils ungeplanten, teils organisierten Gewalttaten gegen jüdischen Bürgerinnen und Bürger. Paul von Hindenburg, immer noch Staatsoberhaupt und als höchster Mann im Staat mit Machtfunktionen eines Reichspräsidenten ausgestattet, hat nicht versucht dieses zu verhindern, sondern dieses Vorgehen Hitlers geduldet. Nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 unterzeichnete Hindenburg die ihm von Hitler vorgelegte Notverordnung, die als »Grundlage der Diktatur« bezeichnet werden kann, da sie die Suspendierung sämtlicher bürgerlicher Grundrechte erlaubte. Das Ergebnis der Wahl vom 5. März 1933, aus der die NSDAP als mit Abstand größte Fraktion im Reichstag hervorging, wertete Hindenburg als Bestätigung seiner Entscheidung vom 30. Januar 1933. Zur Eröffnung des Reichstages am 21. März 1933 organisierte Goebbels ein spektakuläres Fest in Potsdam, das zur »nationalen Versöhnungsfeier« stilisiert wurde. Hindenburg ließ sich dabei als Symbol der Verbindung des »alten und neuen Deutschlands« feiern. In seiner preußischen Marschallsuniform verkörperte er die Verbrüderung des Preußentums mit dem Nationalsozialismus. Am 23. März beschloss der Reichstag das »Ermächtigungsgesetz«, das Hindenburg am 24. März unterschrieb. Zur Reichstagswahl im November 1933 war nur noch eine sogenannte nationalsozialistische »Einheitsliste« wählbar, alle demokratischen Parteien waren verboten. Gleichzeitig fand eine Volksabstimmung über den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund statt. Noch am Vorabend der Wahl rief Paul von Hindenburg in einer Radioansprache zur Wahl der nationalsozialistischen »Einheitsliste« Adolf Hitlers auf. Dank der Rede Paul von Hindenburgs, in der er Hilter einen »mutigen Mann« nannte, stimmten 90% für die Nationalsozialisten und den Austritt aus dem Völkerbund.

Mordaktionen der Nazis nach dem sogenannten »Röhm-Putsch« kommentierte Hindenburg zustimmend: »Das ist richtig so. Ohne Blutvergießen geht es nicht.« Wolfram Pyta, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart und Direktor der Forschungsstelle Ludwigsburg zur NS-Verbrechensgeschichte kommt in seiner Abhandlung über Hindenburg zu dem Schluss: »Diese gezielte Reduzierung Hindenburgs auf die Gestalt eines hünenhaften Weltkriegsheros darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hindenburg von 1914/15 bis 1933 als stärkste symbolische Expression des Dranges nach nationaler Vergemeinschaftung gewirkt und aus dieser Zuschreibung politische Herrschaftsansprüche abgeleitet hat.« Es ist eine hartnäckig verbreitete Mär, dass Paul von Hindenburg zuletzt ein geistig und körperlich verfallenen Greis gewesen sei, der in seinen letzten Lebensjahren unter fremdem Einfluss gestanden habe. Hindenburg traf alle politischen Entscheidungen bis kurz vor seinem Ableben bei klarem Verstand. Das politische Testament Hindenburgs, dessen Inhalt davon bestimmt ist, dass durch die Politik Hitlers das politische Lebenswerk Hindenburgs gekrönt werde, bestätigt diese Einschätzung. Wolfram Pyta lässt keinen Zweifel daran, dass Hindenburg im Vollbesitz diesen Text in Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verfasst hat. Im Schlussteil schreibt Hindenburg: »Mein Kanzler Adolf Hitler und seine Bewegung haben zu dem großen Ziele, das deutsche Volk über alle Standesund Klassenunterschiede zur inneren Einheit zusammenzuführen, einen entscheidenden Schritt von historischer Tragweite getan. Ich weiß, dass vieles noch zu tun bleibt, und ich wünsche von Herzen, dass hinter dem Akt der nationalen Erhebung und des völkischen Zusammenschlusses der Akt der Versöhnung steht, der das ganze deutsche Volk umfasst. Ich scheide von meinem deutschen Volk in der festen Hoffnung, dass das, was ich im Jahre 1919 ersehnte, und was in langer Reife zu dem 30. Januar 1933 führte, zu voller Erfüllung und Vollendung der geschichtlichen Sendung unseres Volkes reifen wird. In diesem festen Glauben an die Zukunft des Vaterlandes kann ich beruhigt meine Augen schließen.« International renommierte Historiker wie Roger Moorhouse, Pierre Jardin, Wolfram Pyta und Anna von der Goltz kommen zu einer Neubewertung der geschichtlichen Bedeutung Paul von Hindenburgs. Das politische Wirken Hindenburgs und sein politisches Testament machen es heute, 80 Jahre nach der Machtübertragung an Hitler und die Nationalsozialisten, für eine aufgeklärte, pluralistische Gesellschaft unmöglich, Hindenburg als Ehrenbürger zu führen und die Benennung öffentlicher Flächen nach ihm zu akzeptieren. Hindenburg kann kein Vorbild in einer demokratischen Gesellschaft sein. Wer heute noch Hindenburg ehrt, begeht diese Ehrungen im Wissen seines Wirkens und dessen historischer Folgen.

DIE LINKE fordert daher: »Der Stadtrat möge beschließen:
1. Der Rat der Stadt Bergisch Gladbach stellt fest, dass Paul von Hindenburg keine Person ist, die in ihrem politischen Wirken demokratische Ziele verfolgt hat und so als Vorbild gelten kann. Der Rat der Stadt Bergisch Gladbach hält eine Ehrung der Person Hindenburgs für nicht angemessen.
2. Der Rat der Stadt Bergisch Gladbach aberkennt Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft.
3. Der Hindenburgplatz wird umbenannt.«

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