Streit im Kreishaus RBK: „Fischkopf oder Hydra?“

KV Rheinisch-Bergischer KreisPresse

Offenes Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden im Rheinisch-Bergischen Kreistag

Persönlicher Kommentar zur Aufarbeitung der Konflikte der Verwaltungsspitze des Rheinisch-Bergischen Kreises und zur Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Kreistag

Liebe Kollegin, liebe Kollegen,

vorweg:

Ich beabsichtige nicht den Landrat in Schutz zu nehmen oder für sein Handeln in der Vergangenheit Partei zu ergreifen. Er steht in der Verantwortung für die Probleme und „Missverständnisse“ in der Verwaltungsspitze.

Es geht mir auch nicht darum, die rechtmäßigen Anliegen des Betriebsrats der Kreisverwaltung zu relativieren. Im Gegenteil hoffe ich, dass er an den Klärungen in der Verwaltung und zwischen den Mitarbeitenden des Rheinisch-Bergischen Kreises beteiligt wird.

Aber zur Sache: Die wesentlichen Aussagen des Schreibens des Personalrats vom 06.05.2021 an den Landrat mit dem Betreff "Situation im Haus ..." tragen zu einer Klärung wenig bei, da sie sehr unkonkret und allgemein formuliert sind.

Die unterzeichneten Dezernenten des Schreibens der Verwaltungskonferenz vom 17.05.2021 schließen sich übrigens dem „… Schreiben des Personalrats vom 06.05.2021 ausdrücklich und in allen Punkten voll inhaltlich an und bewerten die dargestellte Situation in gleicher Weise.“

Auch wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD Gerhard Zorn den Brief des Personalrats zitierend bemerkt: „Wenn der das so schreibt, dann muss die Situation im Haus so sein, dass es brennt“, werden die Formulierungen des Personalrats den Kriterien einer "Problembeschreibung" (wie der Personalrat seine Auslassungen nennt) nicht gerecht.

Aus etwas sehr Subjektiven, einem "Eindruck", z.B. "..., dass viele Bürgerinnen und Bürger sich direkt an Sie (den Landrat) wenden, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen", macht der Brief des Personalrats die Unterstellung, der Landrat habe Eingaben von Privatpersonen oder Institutionen in die Verwaltung "gesteuert". Als Jurist müsste man diese Behauptung als unsubstantiiert zurückweisen.

Der Brief äußert auch den "Eindruck, dass Sie (der Landrat) wenig oder auch gar kein Vertrauen in die Arbeitsweisen der einzelnen Ämter und somit auch in Ihre Mitarbeitenden haben."

Nach Beschreibung weiterer "Eindrücke" teilt der Personalrat dem Landrat mit, "..., dass Ihr Rückhalt in der Verwaltung bzw. die Zustimmung zu Ihrer Arbeit ... auf allen Ebenen immer mehr schwindet bzw. kaum noch vorhanden ist."

Aus diesem subjektiven "Eindruck" (wie könnte ein Eindruck anders als subjektiv sein?) kommt der Text zu einer Bewertung: "Diese Einschätzung ist erschreckend."

Ich würde sagen, argumentations-logisch fehlt es dieser geschlussfolgerten Einschätzung an einem zureichenden Grund.

Die beiden letztgenannten Textstellen sind aber auch aus einer weiteren Perspektive interessant:

A sagt: "Weil B mir nicht vertraut, kann ich B keinen Rückhalt geben."

B sagt: "Weil der Rückhalt von A schwindet, kann ich A nicht vertrauen."

Darauf reagiert wieder A mit der bekannten Begründung.

Und dann wieder B auf die gleiche Weise.

Ein Teufelskreis.

A steht für das Personal, die Mitarbeitenden;

B steht für den Landrat.

Kommunikations-psychologisch handelt es sich bei diesen verschiedenen und widersprechenden Sichtweisen (gegenseitigen Schuldzuweisungen) um eine "diskrepante Interpunktion von Ereignisfolgen". D.h.: beide Lager gehen jeweils davon aus: "Der andere hat angefangen. Würde er sich nicht so verhalten, müsste ich nicht so reagieren."

Aus diesem Dilemma folgern beide Seiten dann schnell: "Der andere ist schuld!"

Um aus so einer festgefahrenen Kommunikations-Struktur wieder herauszufinden, braucht es Profis, die im Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten erfahren sind.

Die Verwaltungsspitze nimmt solche professionelle Hilfe seit Monaten in Anspruch, und sie bittet - in der Funktion des Landrats - den Kreistag (wiederholt in der Sitzung vom 30.09.2021) für weitere Wochen oder Monate um Geduld.

In dieser Situation ist es nicht hilfreich, wenn Stimmen von Kreistags-Abgeordneten ungeduldig einseitig von der Person des Landrats immer wieder Rechenschaft fordern, als hätten sie den Schuldigen schon (mit unkonkreten Problembeschreibungen, unsubstantiierten Behauptungen und persönlichen Eindrücken) überführt und wollten zur Urteilsverkündung schreiten.

So funktioniert eine Mediation bzw. professionelle Aufarbeitung der Konflikte nicht.

Der Kreistag muss aufpassen, sich nicht in den Konflikt der Verwaltungsspitze hineinziehen und (von der einen oder anderen Seite) instrumentalisieren zu lassen, und er hat sich weder in den laufenden Mediations-Prozess einzumischen noch dessen Lösungen vorwegnehmen zu wollen.

Wenn die Presse (Kölner Stadtanzeiger und Bergische Landeszeitung vom 02.10.2021) unter dem Titel: „Schuld sind nur die anderen?“ eine tendenziöse Sichtweise verbreitet, statt von Konflikten in der Verwaltung von „Landrat Santelmanns Krise“ spricht und bemängelt, dass er „… kein einziges Wort zu seiner Verantwortung an der Situation …“ gesagt habe, dann hat sie statt sachlich Bericht zu erstatten, bereits den Schuldigen angeprangert als denjenigen, aus dessen Sicht nur die anderen schuldig sind.

Es ist nicht Aufgabe von Abgeordneten, sich der öffentlichen Meinungsmache anzuschließen, sondern im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung sachlich und fair mit der Verwaltung zusammenzuarbeiten und zu klären, welche Kreistagsentscheidungen in der Krise der Verwaltung notwendig sind, um diese zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger handlungs- und leistungsfähig zu machen und zu erhalten.

DIE LINKE. Kreistagsgruppe wird sich deshalb nicht daran beteiligen, vor dem Abschluss der Mediation einzelne Personen für den Konflikt und die Kommunikations-Probleme in der Verwaltungsspitze zur Rechenschaft zu ziehen oder vorzuverurteilen.

In einer systemischen Klärung von Konflikten geht es nicht darum, die Vergangenheit minutiös zu sezieren, um den Schuldigen zu finden.

Aus systemischer Sicht gibt es in Konflikten nicht den einen Verursacher. Der im konventionellen Sprachgebrauch Schuldige wäre nur ein Symptom des kranken Systems.

Im systemisch begleiteten Prozess wird konstruktiv und lösungsorientiert nach vorne geschaut. Dabei spielt Schuld keine Rolle, sondern die Verantwortung jeder/jedes Einzelnen jetzt zu einem konstruktiven Miteinander im Hinblick auf eine gemeinsame Lösung beizutragen.

Deshalb halte ich es für zielführender und plädiere weiterhin dafür, dem Landrat, dem Kreisdirektor und den Dezernenten - möglichst unter Einbeziehung des Personalrats - ungestört die Zeit zu lassen, die nötig ist, um mit externer Beratung und Mediation neue Lösungen für alte Probleme und Konflikte zu finden.

Entgegen alten politischen Gepflogenheiten müssen tragfähige und nachhaltige Lösungen dabei nicht beinhalten, dass "Köpfe rollen".

Sicher fängt der Fisch zuerst am Kopf an zu stinken. Aber das System Verwaltungsspitze ist schon älter als der Posten des amtierenden Landrats. Und was, wenn die Verwaltung kein Fisch ist, sondern eine Hydra?

Mit kollegialen Grüßen

Peter Tschorny
(Vorsitzende DIE LINKE. im Kreistag Rheinisch-Bergischer Kreis)